Tote Zähne und Organe: Können abgestorbene Zähne den Körper schädigen?
Viele Menschen fragen: Können tote Zähne Organe beeinflussen? In diesem Artikel erkläre ich, wann ein Zahn als „tot“ gilt, welche Risiken bestehen, welche Zusammenhänge wissenschaftlich belegt sind und wann ein Zahnarztbesuch notwendig ist.
Was ist ein toter Zahn?
Als „toter Zahn“ (avitaler Zahn) wird ein Zahn bezeichnet, dessen Pulpa (Zahnmark) nicht mehr durchblutet und somit nicht mehr lebensfähig ist. Ursachen sind meist tiefe Karies, ein Trauma (z. B. Schlag auf den Zahn) oder eine fortgeschrittene Entzündung. Sichtbare Hinweise sind Verfärbungen, Schmerzen bei Druck oder im schlimmsten Fall keine akuten Beschwerden, obwohl das Gewebe abgestorben ist.
Lokale Folgen eines toten Zahns
Direkt am betroffenen Zahn können folgende Probleme auftreten:
- Akute oder chronische Entzündungen an der Wurzelspitze (Periapikale Läsionen)
- Abszessbildung und Schwellungen
- Kieferknochenabbau in der Umgebung der Wurzel
- Zahnverfärbung und Frakturgefahr
Tote Zähne und Organe: Was sagt die Wissenschaft?
Die Frage, ob tote Zähne Organe schädigen können, wird in zwei Ebenen diskutiert:
- Systemische Effekte durch chronische Entzündungen: Chronische Zahnentzündungen und potenziell persistierende Infektionsherde im Mund können zu einer erhöhten systemischen Entzündungsbelastung führen. Entzündungsmarker im Blut steigen, was bei bestimmten Patienten mit systemischen Erkrankungen (z. B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, rheumatischen Erkrankungen) relevant sein kann. Zahlreiche Studien untersuchen Zusammenhänge zwischen oralen Entzündungen und Systemerkrankungen; kausale Aussagen sind jedoch oft schwierig.
- Behauptungen zur direkten Zahn‑Organ‑Verbindung: Konzepte wie die klassische Zahn‑Organ‑Zuordnung oder Meridianlehren (jedem Zahn wird ein spezifisches Organ zugeordnet) kommen aus der komplementären/alternativen Medizin. Diese Modelle werden von vielen Patienten und Behandlern als Erklärung für Fernbeschwerden herangezogen. Allerdings fehlen robuste, reproduzierbare wissenschaftliche Belege, die eine direkte, spezifische Ursache‑Wirkungs‑Beziehung zwischen einem einzelnen toten Zahn und einem bestimmten inneren Organ nachweisen.
Kurz: Es gibt Hinweise, dass orale Entzündungen den gesamten Körper belasten können. Die spezifische Zuordnung „dieser tote Zahn verursacht dieses Organproblem“ ist aber wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.
Welche Gesundheitsrisiken bestehen konkret?
- Lokale Ausbreitung: Abszesse, Raumforderungen und im Extremfall Kieferknochenentzündungen (Osteomyelitis).
- Systemische Streuung: Bakterien oder Entzündungsmediatoren können in den Blutkreislauf gelangen – bei immungeschwächten Personen oder bei bestimmten Vorerkrankungen kann das problematisch sein.
- Chronische Entzündung als Risikofaktor: Eine dauerhaft erhöhte Entzündungsaktivität wird mit einem höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und schlechterer Stoffwechseleinstellung (z. B. bei Diabetes) in Verbindung gebracht. Studien hierzu sind jedoch heterogen und noch nicht abschließend.
Diagnose: Wie erkennt der Zahnarzt einen toten Zahn?
Zur Abklärung werden üblicherweise folgende Untersuchungen genutzt:
- Visuelle Inspektion und Palpation
- Röntgenaufnahmen (Bissflügelaufnahmen, OPG, digitale Volumentomographie bei Bedarf)
- Empfindlichkeitstests (Kältetest, elektrische Vitalitätstests)
- Evtl. systemische Befunderhebung bei Verdacht auf Zusammenhang mit Allgemeinerkrankungen
Behandlungsoptionen
- Wurzelkanalbehandlung (Endodontie): Ziel ist die Entfernung des erkrankten Gewebes, Desinfektion und bakteriendichte Füllung der Kanäle. Bei erfolgreicher Behandlung bleibt der Zahn erhalten.
- Revision oder Wurzelspitzenresektion: Wenn eine vorherige Wurzelkanalbehandlung versagt hat, kann eine Revision oder eine chirurgische Wurzelspitzenresektion nötig sein.
- Entfernung (Extrakion): Wenn der Zahn nicht erhaltungswürdig ist, erfolgt die Entfernung. Danach sind prothetische Versorgungen (Implantat, Brücke, herausnehmbarer Ersatz) möglich.
In der biologischen bzw. alternativen Zahnmedizin werden manchmal zusätzliche Maßnahmen wie gezielte Entgiftung oder systemische Therapien vorgeschlagen. Solche Verfahren sollten kritisch geprüft und immer in Absprache mit Schulmedizinern und Zahnärzten erfolgen.
Wann sollte ich zum Zahnarzt?
- Verfärbung eines Zahns nach Trauma oder ohne ersichtlichen Grund
- anhaltende oder wiederkehrende Schmerzen, Schwellungen oder Eiter
- unspezifische Allgemeinsymptome in Verbindung mit bekannten Zahnproblemen — insbesondere bei Autoimmunerkrankungen oder unerklärlichen chronischen Entzündungswerten
- regelmäßige Kontrolluntersuchungen (mind. einmal jährlich), um frühe Probleme zu erkennen
Praktische Tipps zur Vorbeugung
- Gründliche Mundhygiene (Zähneputzen, Interdentalraumreinigung)
- Regelmäßige Kontrollen und professionelle Zahnreinigung
- Rasche Behandlung von Karies und Zahnverletzungen
- Risikofaktoren wie Rauchen und unbehandelter Diabetes kontrollieren
Fazit
Die Kurzantwort: Tote Zähne können lokal und in bestimmten Situationen auch systemisch problematisch sein. Eine direkte, spezifische Zuordnung eines einzelnen toten Zahns zu einem bestimmten inneren Organ (im Sinne von „Zahn X verursacht Organ Y“) ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt. Dennoch sollten tote Zähne nicht ignoriert werden: Sie können chronische Entzündungen und damit potenziell gesundheitliche Belastungen verursachen. Eine fachärztliche Untersuchung, angemessene endodontische Behandlung oder - wenn nötig - Entfernung ist sinnvolles Vorgehen.
Weiterführende Informationen
Mehr zu zahnmedizinischen Leitlinien und allgemeinverständlichen Informationen finden Sie bei der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und bei der Bundeszahnärztekammer: dgzmk.de, bzaek.de. Wissenschaftliche Übersichten und Studien finden Sie in medizinischen Datenbanken wie PubMed: pubmed.ncbi.nlm.nih.gov.
Haben Sie konkrete Beschwerden oder Sorgen, vereinbaren Sie einen Termin bei Ihrem Zahnarzt oder einer zahnärztlichen Spezialpraxis für Endodontie. Bei chronischen Allgemeinerkrankungen sprechen Sie zusätzlich mit Ihrem Hausarzt, um gemeinsam das beste Vorgehen abzustimmen.